Besteigung Zinalrothorn, 4.221 Meter

Es ist 3.00 Uhr am Morgen des 18. Augusts 2007. Im Matratzenlager der Rothornhütte auf 3.198 Metern Höhe erklingen die ersten Taschen- und Armbandwecker. Kurz darauf herrscht rege Betriebsamkeit.

Noch am Vortag herrschten im Schweizer Wallis Wetterverhältnisse die nicht unbedingt zum Bergsteigen einluden. Anders an diesem frühen Morgen. Schaut man nun zum Himmel erblickt man einen klaren Sternenhimmel. Die Temperaturen sind dementsprechend niedrig. Optimale Bedingungen für eine kombinierte Hochtour in Schnee und Fels. Nach einem guten Frühstück wollen Stefan Katz, Patrick Guhse und Sven Rahlfs die Wettergunst nutzen.

Gletscheraufstieg

Bergauf
Weit über uns erhebt sich mit 4.221 Metern das Zinalrothorn. In direkter Nachbarschaft das bekannte Matterhorn. Von unserem Nachtlager, der Rothornhütte, sind es genau 1.023 Meter bis zum Gipfel. Es ist klirrend kalt. Die Temperaturen liegen um den Gefrierpunkt. Ein Umstand der uns das Laufen auf dem Eseltschuggen, einem Teil des Rothorngletschers, und dem später folgenden Firngrat wesentlich erleichtert. Gerade einmal die Spitzen unserer Steigeisen schieben sich ins Eis. Es geht steil bergauf Richtung P. 3.500. Dort überwinden wir in leichter Kletterei eine erste Steilstufe. Scharf knirschen die Steigeisen auf den Felsen. Danach geht es weiter über grobblockiges Gelände das sich mit Firn- und Eisfeldern abwechselt bis auf ca. 3.800 Meter Höhe. Der fortführende Firngrat ist luftig und überwächtet. Hier ist Konzentration geboten. Er führt uns im Licht der aufgehenden Morgensonne über eine leichte Kuppe zum Beginn des sog. Couloir. Durch die häufigen Schneefälle dieses Jahres liegt auch jetzt, Mitte August, noch reichlich Schnee und Eis in dieser Felsrinne, der dort, wo man sonst auf harten Granit trifft, mancherorts den Einsatz der Frontzacken unserer Steigeisen erfordert.

Firngrat und Couloir

Durch das Couloir erreichen wir nach spannender Kletterei in kombiniertem Gelände die Gabel, die südseitig von einem Gendarmen bewacht wird. Nördlich führt der Süd-West Grat steil auf den Gipfel. Hier entledigen wir uns unserer Steigeisen. Es geht weiter in reiner Felskletterei. Bombenfester Granit führt in leichter Kletterei (III+ bis IV, (eine Stelle)) auf den Gipfel. Die Tatsache als Dreierseilschaft unterwegs zu sein raubt uns hier wie auch im späteren Abstieg einiges an Zeit. Aber es ist immer noch früher Vormittag und alle Wetterzeichen sehen positiv aus. Also kein Grund zur Sorge. Nach etwa einer Stunde in diesem Gelände umgehen wir ostseitig die so genannte Kanzel auf einem extrem luftigen und ausgesetzten Band. Ich kann nicht anders als zu schaudern als ich an dieser Stelle nach unten schaue und unter mir die Nordwand überhängend abbricht. Geschätzt befinden sich da 200 Meter reine Bergluft unter meinen Fußsohlen. Die Querung ist dank der hervorragenden großen Griffe an der Oberkante relativ leicht. Nun sind es nur noch wenige Meter über unschwere Blöcke und dann stehen wir um 10.30 Uhr gemeinsam auf dem Gipfel. 4.221 Meter über dem Meer pfeift uns ein kalter Wind um die Nase. Kurze Zeit müssen wir den Gipfel mit Gleichgesinnten teilen, dann haben wir ihn ganz für uns allein.

Gipfel

Abwärts
Der Abstieg verläuft fast unspektakulär. Einzig ein verhaktes Seil kostet uns einige Nerven als wir es nach erfolgter Abseilfahrt abziehen wollen. Der folgende Abstieg durch das Couloir fällt leicht. Wir haben wieder unsere Steigeisen an den Füßen. Der Schnee auf den folgenden Gletscherfeldern ist inzwischen durch die Sonne aufgeweicht. Wir rutschen wie auf Seife und sinken teilweise knietief ein. Ein anstrengender Abstieg. Bald erreichen wir wieder die felsigen Bereiche und schreiten über grobe Granitblöcke Richtung Rothornhütte. Wir entschließen uns bald unsere Steigeisen im Rucksack zu verstauen. Im momentanen Gelände und auf den sulzigen Gletschern ist es ohne die Zwölfzacker ohnehin besser zu gehen. Doch an das Gehen ohne Steigeisen muss man sich scheinbar erst wieder gewöhnen. Wenige Minuten nachdem wir uns derer entledigt haben verliert ein Mitglied unserer Seilschaft die Bodenhaftung. Im hohen Bogen überzeugt er uns mit einem mehrfachen Überschlag das wir eine Pause machen sollten. Schade nur, daß er seine Kür ausgerechnet mit dem Gesicht bremsen musste. So zieren ihn nun zwei Platzwunden, eine am Auge, eine am Jochbein. Wir hatten Glück! Außer diesen ist nichts passiert. Eine Gehirnerschütterung war aufgrund fehlender Schlüsselsymptome auszuschließen und die Wunden waren schnell versorgt. Nach einer wohlverdienten Pause machten wir uns auf die letzte Etappe. Nach einer letzten Schneeabfahrt über den Eseltschuggen erreichen wir glücklich unseren Ausgangspunkt und unsere Unterkunft, die Rothornhütte.

Kanzel

Rothornhütte
Ich komme nicht umhin ein paar Worte zu dieser SAC Hütte zu verlieren. Es ist schon erstaunlich was die drei Hüttenwirtinnen in dieser unwirtlichen Umgebung zu Stande bringen. Da werden dem hungrigen Bergsteigerlein optimal gegarte Schnitzel vom Schweinerücken an perfekt gedünstetem, frischem Gemüse serviert. Ein Genuss der es mit so manchem Angebot in dem von Touristen überlaufenen Zermatt aufnehmen kann. Wer es lieber vegetarisch mag wird mit einem entsprechend fleischlosen Essen verwöhnt.
Umso trauriger ist die Verfahrensweise dieser Hütte wie mit der Ver- und Entsorgung umgegangen wird. Während andere Hütten in erneuerbare Energien und innovative Kleinkläranlagen setzen sahen wir uns auf der Rothornhütte mit einem waschechten Plumpsklo konfrontiert. Es plumpste ordentlich und leider nicht in eine abgeschlossene Kassette die dann abtransportiert und fachgerecht entsorgt werden könnte, sondern in die freie Bergwelt. Ein Zustand von dem ich nicht geglaubt hätte, daß ich ihn auf einer Berghütte der heutigen Zeit noch antreffe. Kommt man dann verrichteter Dinge aus dem Häuschen kann es, je nach Uhrzeit, vorkommen das man in schwarze Nebelschwaden gehüllt wird. Diese resultieren aus dem Betrieb des Diesel-Generators, der den allabendlich benötigten Strom produziert. Dabei könnte hierfür auch der nahe gelegene Gletscherbach genutzt werden. Oder sogar eine Biogasanlage die aus dem eben beschriebenen Plumpsklo und den zahlreichen Küchenabfällen mit Gasen versorgt wird.

Gipfelgrat

Talwärts
Am nächsten Morgen ist das Wetter schon wieder etwas schlechter. Es scheint als hätten wir einen besonderen Wetter-Bonus erhalten. Dieser Eindruck bestätigt sich als wir auf halber Höhe, unseres Abstiegs nach Zermatt, im €žHotel du Trift€œ einkehren und uns dort mit dem Hüttenwirt unterhalten. Laut seiner Aussage konnte man dieses Jahr die Tage, die eine Besteigung des Zinalrothorns erlaubten, an zwei Händen abzählen. Der lange Winter und immer wieder auftretende Schneefälle sind die Ursache. Umso mehr freut es uns diesen schönen Gipfel bei so herrlichem Wetter erlebt zu haben. Bald darauf hatte uns Zermatt und damit die Zivilisation wieder.

Fazit
Das Zinalrothorn ist ein unglaublich schöner und abwechslungsreicher Berg. Wer seine Herausforderungen in kombiniertem Gelände sucht sollte diesen Berg nicht auslassen. Hinzu kommt das sich dem Bergsteiger auf einem formschönen Gipfel eine unglaubliche Sicht auf die benachbarte Prominenz bietet. Vom Matterhorn bis zur Dufourspitze breiten sich die schönsten Gipfel des Wallis vor einem aus.

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