Manchmal ist es ganz gut ahnungslos wie Susi Sorglos zu sein. Hätte ich gewusst was mich erwartet, wäre ich wohl kaum die letzen Tage so locker geblieben. Aber zunächst zum Anfang: es begann mit einer Bewerbung beim Innovators Pitch des IT-Branchenverbandes BITKOM. Gesucht wurden die Besten Geschäftskonzepte im Bereich Mobile Content. Prima dachte ich mir. In diese Kategorie passt doch unser Open Source Projekt colamo.org…
Also kurz und geschwind mit Carsten und Helmuth, den weiteren Moderatoren des Projektes die Bewerbungsunterlagen erstellt. Mittlerweile haben wir von etlichen Vorträgen und Präsentationen genug Material, so konnten wir mit ca. einer Stunde Arbeit die Bewerbung in einer soliden Form einreichen
Prinzip: Fire and forget. Sprich die Bewerbung war eingereicht und schnell wieder vergessen, schließlich hatten wir mit Projekten und CeBIT-Vorbereitungen genug um beide Ohren. Eine Woche vor CeBIT dann eine Mail mit einer unverbindlichen Anfrage der BITKOM: “…ob wir am 19. März eventuell Zeit hätten und in Hannover präsentieren könnten..”.
Well, it’s CeBIT – natürlich haben wir Zeit, da wir ja mit colamo.org vor Ort sind. Bei den ganzen Messe-Terminen passt so eine Präsentation auch noch dazwischen… Ein paar Tage später folgt die Zusage: wir sind in der Endauswahl zum BITKOM Innovators Pitch…
Okay, wir sollten uns mal die Agenda der Veranstaltung anschauen – nur so richtig Zeit haben wir vor der CeBIT eigentlich nicht…
Da Carsten und Helmuth fast ausschließlich mit CeBIT beschäftigt waren, blieb es an mir an einem Sonntag morgen die Präsentation vorzubereiten. Im wesentlichen 3 Folien: Titelbild, eine Skizze der colamo Middleware-Architektur und die Vorteile in Stichworte. Kurz und knackig – denn es bleiben auf der CeBIT nur 3 Minuten zur Präsentation.
Bis zum Termin in ein paar Tagen hatte ich keinen weiteren Kopf für das Thema. Schließlich laufen Projekte, Meetings und Tests zur CeBIT auf Hochtouren.
Montag 19.03.2007, 9:20 Uhr – Flug Stuttgart-Hannover
Ich weiß, es ist ökologisch gesehen ein vollkommener Schwachsinn, mit dem Flugzeug von Stuttgart nach Hannover zu reisen. Aber da der Flug nur 40 Minuten Reisezeit hat und dank Billigflieger, siegte Ökonomie vor Ökologie. Das schlechte Gewissen bleibt. Zumindest war für die Rückfahrt die Bahn gebucht.
Ankunft morgens in Hannover. Um elf auf die Messe. Ab dann, Gesprächstermine und Leute treffen – der übliche Messetag. Um 17.00 Uhr sollten wir uns in Halle 19. auf der Digital Living Aerea zur BITKOM Präsentation einfinden.
14.00 Uhr: Carsten schickt eine E-Mail, dass er erst um 16.00 Uhr auf der Messe eintrifft. Helmuth hat um 17.00 Uhr einen Gesprächstermin und kann nicht bei der BITKOM Veranstaltung teilnehmen. Derweil klappere ich meine Termine bei Messeständen ab.
16.00 Uhr: Carsten ist angekommen, hat aber gleich noch ein Gesprächstermin. Oh je, wir haben uns bislang Null auf den Pitch vorbereitet.
16.30 Uhr: Carsten und ich können und endlich in ein Konferenzzimmer zurückziehen und die Präsentation durchsprechen. Irgendwie fehlt uns vor lauter Messe der richtige Drive für die Präsentation. Eine viertel Stunde später müssen wir Richtung Halle 19. aufbrechen. Die Stimmung bei uns beiden ist eher in Richtung “weitere Pflichtveranstaltung”.
17.00 Uhr: Halle 19. Bühne Digital Living
Bühne? Upps?
Tja, es sieht wohl so aus, als ob das doch was größeres ist. Tatsächlich eine Bühne mit Moderator, Kameramann, Licht und Tontechnik. Vielleicht hätten wir uns über das Rahmenprogramm der Veranstaltung besser vorab informieren sollen…
Vor mir stehen noch zwei Leute, die mit mir im Flieger nach Hannover saßen – kurzes Wiedererkennen und verwunderndes Staunen auf beiden Seiten – soeben haben wir unsere Pitch Wettbewerber im Bereich “Mobile Content” kennengelernt. Schwaben aus Tübingen… das ist ja wie gegen Bruder und Schwester in den Kampf ziehen…
17.30 Allmählich füllt sich die Veranstaltungsarena mit Publikum. Im Publikum können wir bekannte Gesichter ausmachen, die uns zuversichtliche Blicke schenken – an dieser Stelle einen herzlichen Dank für unseren Fanclub aus Hamburg und Münster, für das tolle Backup. Mittlerweile haben Carsten und ich auch den Ablauf der Veranstaltung geschnallt. Aus 40 Konzepten wurden 4 für den Pitch eingeladen. Zwei aus dem Bereich “Digital Life” und zwei zum Thema “Digital Content“. Jeweils zwei Konzepte präsentieren direkt um den 1. Platz. Die Jury ist mit hochkarätigen Köpfen besetzt.
Der Pitch: 3 Minuten Interview + 3 Minuten Präsentation + 5 Minuten Jury Kreuzverhör
Nettes Konzept – nur wussten wir erst ca. 30 Minuten vor der Veranstaltung wie der Ablauf ist. Aber wir sind ja gut im Improvisieren. Außerdem habe ich mit Carsten schon einige Präsentationen abgehalten. Wir sind also ein eingespieltes Team.
Ähhh, wären ein eingespieltes Team. Denn es darf nur einer auf die Bühne und präsentieren! In diesem Fall sagt Carsten ich soll präsentieren. Also auch noch eine improvisierte Solo-Nummer. Irgendwie bleibt mir keine Zeit, in Gedanken eine mögliche Dramaturgie durchzuspielen.
17.40 Der Innovation Pitch beginnt
Zum Glück müssen wir nicht als erstes in den Ring steigen. Zuerst müssen die Kollegen und Wettbewerber von clipgenerator antreten. So habe ich zumindest eine Chance, mich mit dem Ablauf der Veranstaltung etwas vertraut zu machen.
Das Thema von clipgenerator ist Videoclips fürs Handys: bunt, bewegt, Musik, hip und chic. Da haben wir mit colamo.org als Middleware einen schlechten Stand. Denn Middleware ist unsexy. Mann sieht nichts aufregendes, auch wenn die Technik im Hintergrund aufregend ist.
Nachdem clipgenerator mit einigen technischen Schwierigkeiten die Pitch-Präsentation gemeistert hat, werde ich für colamo.org in den Ring gerufen.
On Stage
Auf dem Weg zur Bühne habe ich immer noch kein Drehbuch für die Präsentation im Kopf. Das ist für mich eine ungewöhnliche Situation, denn normalerweise bin ich auf Präsentationen sehr gut vorbereitet. Ich weiss, was ich zu welchem Zeitpunkt wie sagen möchte.
Doch diesmal ist es anders. Irgendwie ist kein gedanklicher Faden spürbar, der mich durch die Präsentation leitet. Das ist nicht gut. Kein gutes Gefühl. Ich betrete die Bühne und nehme auf dem Kandidatenstuhl platz.
Die Präsentation für colamo.org beginnt
Mit der ersten Frage des Moderators ist alles wie verändert. Ich weiß, sofort wie die Antwort richtig formuliert sein müssen. Die Worte reihen sich stimmig aneinander. Auch die nachfolgende 3 Minuten Präsentation mit anschließendem Kreuzverhör laufen flüssig ab. Ich konnte zeigen wie gut colamo.org ist.
Am Ende bin ich mir sicher, dass die Pitch-Präsentation gelungen ist. Ein Blick zu Carsten bestätigt.
Victory not Defeat
So lautet der Titel einer meiner Lieblingsongs von NoMeansNo. Passend zum Titel, gibt ca. 30 Minuten später gib Wolfgang Kasper, Geschäftsführer von RTL New Media, den Gewinner in der Sparte “Digital Content” bekannt: colamo.org
Damit ist colamo.org von BITKOM in 2007 zum innovativsten Konzept in Deutschland im Bereich Mobile Content gekürt. Eine Auszeichnung, die die Leistungen des gesamten colamo.org Kernteams ehrt.
Also, diese Auszeichnung geht an: Sebastian, Manni, Riona, Mathias, Volker, Sören, Ryan, Sven, Lars, Helmuth, Carsten, Mirko… und viele Andere die colamo.org seit mehr als zwei Jahren begleiten