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Die Musikindustrie und das Sterben der Dinosaurier

Wer ist der größte Feind der Musikindustrie? Wir Konsumenten! Wenn es darum geht bösen Filesharern das Handwerk zu legen, so würden die Plattenbosse am liebsten elementare rechtsstaatliche Prinzipien außer Gefecht setzen. Der Feind bist du, deine Kinder und natürlich ich.

In unserem Haushalt gibt es ca. 700 legal erworbene CDs. Ich bin kein Freund des Filesharings – zum einen nervt mich die Qualität von komprimierten MP3-Files, zum anderen habe ich in meinem Bekanntenkreis einige Musiker und engagierte Label-Mitarbeiter. Eine gute Band, mit einem guten Album hat es verdient gekauft zu werden.

Okay, Kiddies saugen sich heutzutage Massenhaft MP3s. Wirklich ein Problem für Labels und für Bands. Aber ist die alleinige Ursache wirklich das Übel “Internet”?

Massenhafte Junk-Produktionen

Nein. Die großen Labels haben sich mit massenhaften Junk-Produktionen eine Junk-Generation an Konsumenten großgezogen. Nach der 6. Staffel Popstars haben wir es gelernt: es geht darum mit Junk schnell Reibach zu machen. Vom langfristigen Aufbau einer Band haben die Majors schon vor Jahrzehnten Abstand genommen. Zu teuer und zu ungewiss. Wenn sich die Rendite nicht in einem kurzen Powerpoint-Sheet darstellen lässt, hat ein Künstler keine Chance.

Ein Hauptproblem ist also, dass Produkt selber. Wer auf kurzfristige Rendite zielt, fliegt früher oder später raus. Vermutlich früher. EMI macht derzeit die Grätsche. Der verordnete Sparkurs wird dazu führen, dass das Portfolio an Künstlern weiter zusammengestrichen wird. Große Zugpferde sollen es richten. Doch die großen Zugpferde werden auch viel kopiert. Zu weit sind diese “Superstars” von ihren Fans entfernt. Zu schwach ist die emotionale Bindung. Und welches Signal kommt bitte schön beim Konsumenten an, wenn “Superstar” Robbie Williams 127 Mio. Euro für einen Plattenvertrag erhält?

Richtig: der hat genug Kohle, wieso soll ich für seine %&§ Musik einen Cent löhnen?

Übrigens, war es EMI, die diesen irren Preis gezahlt hat. Pech für kleinere Künstler im Portfolio. Leider gibt es kein Geld mehr für Euch in der Portokasse. Packt schon mal eure sieben Sachen.

Das Problem mit der Konvergenz

Ach waren das noch Zeiten, als man den Besitzern von LP die neue, bessere Technik “CD” verkaufen konnte. Ein Seegen für alle Plattenbosse. Die Absatzzahlen für CD’s waren in den Anfangsjahren traumhaft. Eine neue Technik, ein neuer Absatzkanal. Nur zu dumm, diese Sache mit der digitalen Konvergenz. Das Internet hätte nicht sein sollen. Zu lange haben sich die Musikkonzerne auch dagegen gewehrt.

2001 zur Popkom im Köln durfte ich Zeuge des Versagens der Plattenbosse werden. Man war schlicht nicht in der Lage, sich für Rahmenbedingungen für Online-Download-Geschäfte zu einigen. Statt selber das Business zu machen, verschanzten sich alle Majors hinter einer DRM- und Format-Diskussion. Nur nicht das bestehende Geschäftsmodell CD gefährden, war die Devise.

Tja und dann kam iTunes. Ein branchenfremder Anbieter, nicht in den Ketten eines bestehenden Geschäftsmodells, wird innerhalb von sechs Jahren zum wichtigsten Distributor für online Downloads. Die Majors werden zu Rechteinhabern degradiert.

Das 360° Problem

Findige Berater haben sich daraufhin ein neues Schlagwort ausgedacht: 360° Verwertung. Wenn durch die Konvergenz das Urprodukt “CD” durch zahlreiche IP-basierte Kanäle substituiert wird, dann müssen sich der Einnahmemodus verändern. Statt das sterbende Pferd “CD” weiter zu reiten, soll an allen Kanälen partizipiert werden: Merchandising, Konzerte, Klingeltöne, Downloads…

Liebe Künstler Ihr tut mir jetzt schon leid. Da gibt es nämlich ein kleines unschönes Problem. Im Zuge der Konvergenz gibt es viele Player in einer Verwertungskette die Mitverdienen möchten. Beim Klingelton ist es beispielsweise der Distributor, der Medienpartner, der Mobilfunkprovider, das Plattenlabel und zu letzt der Interpret. Wo viele die Hand aufhalten, bleibt weniger für den Künstler. Pech. Das ist eben Konvergenz.

Prince heißt jetzt TAFKAP, TAFKAP heißt jetzt Prince

360° bedeutet, dass die Musikindustrie sämtliche Rechte zur Verwertung eines Brands, dem Markenname einer Band, erwirbt und diese vermarkten. Ein Problem für die künstlerische Freiheit eines Interpreten, schließlich darf sich dieser nur im Rahmen des Markenimage austoben. 100 Mio. Euro schwer, war der Vertrag zwischen Prince Roger Nelson und Warner Music. Zu doof für den Musiker, als die Marketing-Abteilung sein Black Album zu düster erschien. In Folge gab es jahrelange Prozesse und einen Musiker, der sich 2 x umbenannte.

Eine wirkliche Schwäche des 360° Modells ist es, dass es auf große Marken also große Superstars setzt. Hier werden zig Millionen für Verwertungsrechte bezahlt und verschoben. Big Boys Business eben. Doch wie viele dieser internationalen Superbrands (nicht Superbands) verträgt der Markt? Zu wenig für die Dinosaurier Sony-BMG, Universal, EMI und Warner.

Nationale Künstler haben in diesem Konzept keinen Platz. Zu klein ist deren Marktdurchdringung. Blöd. Am Besten diese gehen einfach als Tütenpacker an die nächste Supermarktkasse. Dort gibt es mehr zu verdienen.

Respekt

Vergessen wir die Musik-Großkonzerne dieser Welt. Diese setzten auf Geschäftsmodelle von Gestern und sehen in ihrer Zielgruppe nur potentielle Räuber und Verbrecher.
Dabei ist die Lösung des Problems so einfach. Ein Wort: Respekt. Wenn Labels wie Musiker Respekt vor ihren Fans haben und umgekehrt, dann gibt es einen Nährboden für Erfolg.

CD Nummer 701 hat vor einer Woche in unserer Sammlung Einzug gehalten. Es ist das Album “Jazz ist anders” von den Ärzten. Es ist eine liebevoll gestaltete CD in einer mini Pizza-Schachtel. Das Ansehen der CD macht mindestens genauso viel Spaß wie das Anhören.

Ach und übrigens… die Ärzte veröffentlichen auf ihrem eigenen Label.